Die Wildnis

Erfolgreich hatte Eve das Portal geöffnet und passieren können, es kostete zwar eine ganze Menge Kraft eine solche Distanz zu absolvieren aber es hatte sich ganz offensichtlich gelohnt: Sie waren an ihrem Ziel angekommen. Kurz nach ihr trat auch Alica durch jenes Portal und sah' sich um. Die Wildnis des Maguuma-Dschungels war wohl kaum zu beschreiben. Dichte Bäume folgten aufeinander, Wurzeln wohin das Auge sehen konnte. Das einzig' wirklich auffällige war eine Statue von...irgendetwas. Sie stellte eine alte, wahrlich hässliche Frau da. Vermutlich diente sie als Wegschrein für irgendwelche irren Dschungelbewohner. Das aber wirklich wichtige Detail für die beiden Schwestern waren die Süßigkeiten, die sich darum befanden.

"Wir sind ganz in der Nähe.", sprach Eve schließlich, um ihrer Begleitung zu signalisieren das sie sich am richtigen Ort befanden.

Als Eve durch das Portal ging, zweifelte Alica noch kurz ob sie überhaupt hinterher spazieren sollte. Das letzte mal als sie einer Hexe traute lief für sie immerhin nicht so gut. Schlussendlich folgte sie ihr und fand sie dann inmitten von riesigen Bäumen und ein Sumpfiger Geruch durchströmte ihre Nase. An einer komischen Statue hingen alte vermoderte Lebkuchen. "Verrückt..." dachte Alica laut und lief ihrer Begleitung weiterhin etwas staunend hinterher.

Neugierig schaute sich Alica um. Noch nie zuvor war sie in einem Dschungel. Die Bäume waren gigantisch und sahen nicht annähernd so 'Harmlos' aus wie die Birken und Eichen, die sie sonst so kannte. Der Boden war bemoost und man hörte jedes einzelne Geräusch welches gemacht wurde. Wenn man es schaffte, durch das Dickicht zu schauen, konnte man sogar eins zwei Dschungel-Bewohner erkennen. Einmal hätte sie sogar schwören können, ein  kleiner Baum hätte sich bewegt - allerdings ignorierte sie diese Tatsache. Sie wollte nicht dastehen, als wäre sie verrückt.

Die beiden Hexen folgten dem Pfad weiter, tiefer in den Dschungel hinein. Die Bäume wurden immer dichter und ließen kaum noch freie Sicht auf irgendetwas. Der Pfad verengte sich immer mehr bis sie schließlich nur noch durch Gräser und Gebüsch liefen. Allein die Süßigkeiten, in immer größer werdenden Abständen an den Bäumen signalisierten Eve das sie sich noch nicht verlaufen hatten. Dies war einer der besonderen Orte in Tyria die offensichtlich nicht gefunden werden sollten, außer von Leuten wie die hier anwesenden Hexen. Schließlich trafen sie auf so etwas wie eine kleine Lichtung und fanden das Ziel ihrer Suche.

Ein Pfefferkuchen Haus. Sie fühlte sich wie in einem Klischeehaften Kinderbuch. Aber das hinderte Alica nicht daran zu schmunzeln. Sie traten näher heran und klopften ein, zwei, dreimal an die Tür doch niemand machte auf.
"Gut..." murmelte die junge Hexe und blickte auf die Tür in der Hoffnung ihre Kräfte seien wenigstens ein wenig zurück gekehrt. Sie hob eine Hand und fügte hinzu "In porta.." langsam öffnete sich die Tür und sie lächelte. Sie lief direkt gefolgt von Eve in das Haus und innen sah es genauso verrückt aus wie von außen. An den Wänden hinhen Bilder von Hexen umrahmt mit Spekulatius und die Möbel bestanden aus Zuckerstangen und Keksen.
Bei diesem Anblick konnte sich Alica ein lachen nicht mehr verkneifen. Sie fand es witzig und faszinierend zugleich. "Hier soll also diese Frau... Pech wohnen?" fragte sie Eve.

Auf magische Weise öffnete sich die Tür ihres Pfefferkuchenhauses. Frau Pech bekam niemals Besuch. Die wenigen die von ihr wussten suchten die Alte selten auf. Einzig und allein Josmine lies es sich nicht nehmen ab und an einen Tee mit ihr zu trinken.

Das Pfefferkuchenhaus machte von Außen einen deutlich größeren Eindruck als innen. Lediglich eine gemütliche Wohnstube und eine kleine Küche konnte man erkennen. Eine uralte Holztreppe führte nach oben, vermutlich zu so etwas wie einem Schlafzimmer. Zwei Sessel und ein Tisch standen in der Mitte des Raumes und einige Schränke an den Wänden. Zum Teil waren sie mit Büchern bestückt, oder eben mit zahlreichen Schubladen. Alles wirkte mehre hundert Jahre alt.

"Was verschafft mir die Ehre..?", murmelte Frau Pech und lehnte sich in ihrem Sessel etwas nach rechts um die Gäste besser sehen zu können. Bevor Alica und Eve jedoch antworten konnten verlangte die Alte nach dem 'Zeichen'. Unter Hexen war es üblich seine Woge zu demonstrieren, damit man wusste, das man mit Gleichgesinnten sprach. Eine kurze Verwandlung in den Gesichtern der beiden Hexen und auch von Frau Pech reichte aus das die Alte ihnen einen Platz angeboten hatte.

"Frau Pech...", begann Eve zügig. Sie war der Typ der schnell zum Punkt kommen wollte. "Sie möchte die Schlüssel. Einen haben wir gefunden, aber wir brauchen Hilfe um die anderen zu finden."

Frau Pech lächelte nur. Keine Antwort, keine andere Geste - ein einfaches Lächeln. Anschließend lief sie zu ihrer Küche hinüber, holte die Teekanne und zwei zusätzliche Tassen und goss' ihren Gästen einen grässlichen Kräutertee ein. Kein lebendes Wesen in Tyria wusste wie sie diesen Tee überhaupt runterbekam. Für jeden anderen schmeckte er so als würde er Schmerzen verursachen. Vielleicht tat er das auch? Bei Magie wusste man nie ...

"Wenn sie jetzt aktiv die Schlüssel sucht bedeutet es das die Zeit offensichtlich reif ist. Ihr müsst die 7 Schlüssel in den verschiedenen Winkeln der Welt suchen. Je mehr ihr besitzt, desto lauter wird ihr Ruf. Die Schlüssel gehören dem Hexenzirkel seit tausenden von Jahren. Es ist in unserem Blut sie zu hören."

"Dann gebt' mir Euren Schlüssel. Ich kann spüren das Ihr einen besitzt.", antwortete Eve zielsicher.

"Mitnichten, Kleines. Meinen Schlüssel werde ich ihr persönlich aushändigen wenn die Zeit reif ist. Ich möchte dabei sein.", erklärte Frau Pech freundlich aber beherrscht.

Die Reaktion von Eve war ein einfaches Brummen, sie schiebte die Tasse Tee etwas ins Tischinnere und gab Alica das Zeichen zum Aufbruch.

In den folgenden drei Jahren hatte Frau Pech die beiden nicht mehr wieder gesehen...