Tempus Viatores, Prolog: Herz aus Stein

"Nun so viele Lehrer gibt es dort gar nicht.", merkte Lyanna an und genehmigte sich einen weiteren Happen des köstlichen Essens.

"Jedoch habt ihr recht, den Crutis Zauber hat man uns dort nicht beigebracht. Es gab zwar ein paar Unterrichtsstunden, was die verbotenen Flüche anging aber das war reine Theorie. Ich habe mir den Zauber letztlich selbst beigebracht. Ich habe mir ein paar Bücher dazu in Durmand ausgeliehen, seltsam man könnte meinen, dass solcherlei Bücher nicht aufzufinden seien aber ich wurde eines Besseren belehrt.", erläuterte die Schwarzhaarige ruhig.

"Ich habe tatsächlich ein interessantes... Wesen getroffen. Eher ein etwas, schwer zu beschreiben. Viel mehr... ein Fragment dieses Wesens.", begann Lyanna vorsichtig und sah ruhig zu Vanessa. "Sein Name war Aldrich.... er bot mir an, dass ich einen teil seiner Kräfte bekomme. Ich konnte dank dieser Kräfte sogar Rang 6 Zauber alleine wirken. Jedoch möchte ich das, was auch immer sich an meine Seele gehängt hat... loswerden. Es fühlt sich befremdlich an... anfangs gefiel es mir. Ich genoss die Macht, doch ich stellte schnell fest es ist nicht meine eigene Macht, nicht meine eigene Kraft."

Dieses mal besonders aufmerksam lauschte Vanessa den Worten ihres Gastes. Das ganz leicht nach oben wandernde Gesicht der Blondine, als Lyanna Aldrich ansprach, deutete aber wohl daraufhin das Baskerville vermutlich das richtige Thema angeschnitten hatte.

"Aldrich...?", fragte die Lich daraufhin etwas dusselig, woraufhin Lyanna noch einmal bestätigend nickte bevor die Nekromantin fortfuhr: "... komischer Name. Ein alter Name. Vielleicht war es ja ein Dämon, aus dem Reich der Qual? Ein ehemaliger Schüler vielleicht, der nach einem missglückten Experiment durch die Hallen dieses Ortes geistert. Oder... vielleicht etwas viel Schlimmeres.
Kennt ihr das Sprichwort, 'Ein Bündnis mit den Mächtigen ist nie zu trauen' ? Wer oder was Euch dort Macht geboten hat tat das sicher nicht aus Nächstenliebe. Ganz besonders nicht bei Euch - nichts für Ungut. Ihr tut wohl gut daran 'ihn' oder... 'es', loszuwerden. Und manchmal.... geht das sogar von ganz allein."

Danach lächelte Vanessa warmherzig als sie sich das nächste Stück von ihrem Festmahl genehmigte und kurz überlegte. Nach einigen Happen auf beiden Seiten richtete die Blondine schließlich wieder das Wort an Lyanna.
"Aber genug von Euch, findet Ihr nicht? Eigentlich wollte ich ja ein kleines Spiel mit Euch spielen. Ich erzähle Euch etwas über mich und Ihr dafür über Euch. Tja... leider haben wir die letzten Male immer nur über Euch gesprochen, deshalb wäre das ja ziemlich langweilig für mich.
Was haltet Ihr davon, wenn wir das Spiel umkehren: Ihr erzählt mir etwas über mich! Und anschließend erzähle ich Euch etwas über Euch! Na, wie klingt das?"

Lyanna blickte Vanessa noch immer ruhig an und erwiderte: "Nun ich glaube nicht, dass es sich bei Aldrich um einen Dämon handelt. Die Präsenz die von seiner Kraft ausging, lässt auf etwas ganz anderes deuten. Ich konnte nur nicht einschätzen was es war. Aber ja es wäre wohl besser, wenn ich es schnell loswerde."

Als dann Vanessa dieses seltsame Spiel vorschlug, hielt die Schwarzhaarige diesen Vorschlag für einen schlechten Scherz. Wie sollte sie etwas über Vanessa erzählen? Sie kannte diese Frau überhaupt nicht und wusste auch sonst nichts über sie.

"Nun ich weiß nicht ganz wie ihr euch das vorstellt, daher würde ich euch bitten mir ein kleines Beispiel zu geben wie dieses Spiel funktionieren soll.", erwiderte die Schwarzmagierin höflich.

"Was denn? Habt Ihr noch nie mit jemanden: 'Erzähl mir was!' gespielt?", fragte Vanessa etwas verwundert, da Lyanna das Spiel nicht zu kennen schien: "... aber eigentlich passt das ja zu Euch, das Ihr dieses Spiel nicht kennt - da Ihr niemals jemanden hattet mit dem Ihr es hättet spielen können. Weder als Kind, bei den anderen Waisen, noch später mit Euren Kommilitonen an der Akademie - richtig? So wie ich Euch einschätze hattet Ihr keine Freunde auf Durmand. Keine echten Freunde zumindest. Jemand wie Ihr hat keine Freunde, sondern nur Leute die einem Nutzen und Leute die einem im Weg stehen.
Aber Ihr hegt keinen Groll deswegen, zumindest keinen den Ihr nach außen tragt, ganz im Gegenteil. Ihr seid Stolz darauf, es allein geschafft zu haben. Ihr tragt es Stolz vor Euch her, wie Ihr ja bereits mir gegenüber unter Beweis gestellt habt, als Ihr mir ungefragt Eure Lebensgeschichte aufgetischt hattet. Aber tief in inneren, so glaube ich, fehlt Euch etwas. Etwas das Ihr zu kompensieren versucht und das an Euch nagt, wie ein Parasit. Aber da Ihr nicht wisst, was es ist, tappt Ihr im Dunkeln. Und diese Ungewissheit und diese bisher fruchtlose Suche hat aus Euch den Menschen gemacht, der heute vor mir sitzt und kein Problem damit hat, einer Frau bei lebendigem Leibe, das Herz aus der Brust zu reisen - wortwörtlich."

Nach ihrer Einschätzung stoppte die Lich kurz und neigte ihren Kopf ganz vorsichtig in die Seite um verspielt zu lächeln: "Und? Habe ich recht?"

"Ihr habt es ganz gut auf den Punkt gebracht.", erwiderte Lyanna etwas trocken. Allerdings hatte Vanessa recht gehabt, sie hatte keine wirklichen Freunde. Diejenigen die aus dem Haus Vessalius ihr gefolgt waren, hatte sie alle nur als Anhänger gesehen. Jene die ihr Blind ins Verderben folgen würden, jene die sie als Schachfiguren opfern konnte, wenn es notwendig war.

"Nun ich denke jetzt bin ich dran.", sprach die Schwarzhaarige und setzte sich etwas aufrechter hin. Dann betrachtete sie Vanessa einen kurzen Augenblick. "Ich denke ihr seid eine hochbegabte Magierin, die sich hier Versteckt. Vielleicht sogar anfangs auf der Flucht war. Euer Haus lässt darauf schließen, dass ihr in eurem Inneren unsicher seid. Ebenso seid ihr eine Persönlichkeit, die gerne nur die ehrlich ist, wenn gleich sie auch nur die Hälfte davon erzählt um andere im Dunkeln tippen zu lassen. Ein Beispiel dafür war meine Vermutung über das Schwert. Ebenso habt ihr etwas hier zu verbergen habe ich recht? Etwas dass vermutlich etwas , dass Preisgibt wer ihr in Wirklichkeit seid. Ihr liebt es Geheimnisse zu haben und ihr spielt gerne mit anderen und ergötzt euch an deren Leid. Ihr habt dieses Haus mit eurer Magie erschaffen, weil ihr die Gemütlichkeit liebt und dieser Ort euch eigentlich zu wider ist. Für euch ist alles was hier an diesem Ort passiert nicht mehr als ein Spiel und ich bin nur zu eurem Vergnügen hier. Habe ich recht?",sprach die Schwarzmagierin ruhig um ihre Vermutung zu stellen. Alles, was sie sagte, war lediglich ihre Auffassung über Vanessa gewesen. Wenn gleich sie tatsächlich so etwas wie Bewunderung für sie empfand, fast schon so etwas wie Dankbarkeit. Was der Tatsache geschuldet war, dass sie hier ein vernünftiges Dach über dem Kopf hatte und gutes Essen.

"Wer spielt denn nicht gerne und hat Geheimnisse?", stellte Vanessa sogleich eine Gegenfrage und behielt ihr anfängliches Lächeln, nachdem sie vom Wein genippt hatte: "Für Eure erste Runde gar nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut, um ehrlich zu sein.
Die viel wichtigere Frage wäre doch, WARUM ich das alles tue, was Ihr mir unterstellt. Oder nicht? Keine Vermutung über meine, vermutlich, verkorkste Kindheit? Schade."

Nach einer kurzen Pause, in welcher sich die Lich wieder dem Essen zuwandte, fragte sie dann: "Wieso glaubt Ihr, das mein Haus ein Zeichen dafür sei, das ich unsicher bin?"

Lyanna nippte erneut an ihrem Wein, während Vanessa sich mal wieder versuchte, als die bessere Spielerin aufzuplustern.

"Bevor ich eure letzte Frage beantworte, fangen wir am besten von vorne an.", erwiderte Lyanna ruhig und stellte ihren Kelch wieder weg: "Also zu der Frage warum ihr das tut, ich vermute im Moment aus reiner Langeweile. Ihr seid hier einsam, aber die Einsamkeit stört euch nicht. Im Gegenteil ihr habt sie bewusst gewählt, denn ihr wolltet ich abweisen und ich würde sagen ich sitze heute lediglich hier, weil ich es meiner Beharrlichkeit zu verdanken habe."

Die Magierin blickte sich aus den Augenwinkeln kurz in diesem Zimmer um, ohne dabei das Gesicht von Vanessa abzuwenden, dann erwiderte sie: "Ihr scheint aus einer alten und reichen Familie zu kommen. Der Stil hier lässt auf Kryta schließen. Ich vermute stark, ihr seid abgehauen oder verstoßen worden. Euch fehlt der Luxus weshalb ihr einfach mit eurer Magie dieses prunkvolle Haus errichtet habt. Es gibt euch ein Stück weit Sicherheit in eurer kleinen unsicheren Welt. Es ist ein Zeichen von Unsicherheit, weil ihr euch eigentlich nur hier drin versteckt. Aber ihr müsst ja auch gar nicht aus dem Haus, richtig? Ihr bekommt alles mit was in diesem Dorf passiert, ich weiß noch nicht wie ihr das alles anstellt, aber ich vermute, es hat etwas mit dem Rätsel zu tun, dass ihr mir gestellt habt. Insgeheim sucht ihr eigentlich jemanden um den ihr euch kümmern könnt, jemanden der zu euch aufblickt und sogar ein wenig vergöttert. Ihr habt die Hoffnung noch nicht vollständig aufgegeben, dass jemand kommt dem ihr euch annehmen könnt, wenn gleich ihr in der Vergangenheit viele Rückschläge erlitten habt."

Belustigt lächelte Vanessa ihrem Gast zu, als diese ihre Vermutungen äußerte: "Sehr gut! Jetzt habt Ihr das Spiel verstanden."
Danach wandte sich die Blondine wieder dem Essen zu, bevor sie doch noch einmal den Blick zu Lyanna suchte und etwas klarstellen musste. Dabei hatte die Lich die Hand mit dem Messer etwas erhoben, wobei die Klinge praktischerweise als erhobener Zeigefinger diente: "Aber bei einer Sache habt Ihr Unrecht: Meine Welt ist vieles, aber ganz sicher nicht klein."

Da die Magierin ansonsten nichts zu bemängeln hatte, konnte die Schwarzhaarige wohl davon ausgehen, das sie mit dem Rest recht behalten hat. Nachdem das Essen sich schließlich dem Ende neigte und James bereits die leer geputzten Teller beiseite räumte, sah die Hausherrin nochmal fragend zu Lyanna: "Und? Schon Pläne für heute Abend? Wollt Ihr wieder durch irgendwelche Grabmäler schleichen?"

"Nein ich habe keinerlei Pläne die in diese Richtung gehen.", erwiderte Lyanna und lächelte leicht: "Warum fragt ihr? Habt ihr Angst ich könnte vielleicht etwas über euch herausfinden, dass ich nicht wissen darf?"

Jedoch hatte tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, nochmal die Gräber zu durchsuchen aber das war für sie jetzt eher zweitrangig. Die Frage machte Lyanna jedoch etwas vorsichtig, hatte Vanessa mitbekommen, dass sie einen Runenstein hergestellt hatte der Schlösser knacken konnte? Die Schwarzmagierin ließ lieber erstmal die Vorsichtwalten.

"In einem Grab? Sicher nicht.", entgegnete Vanessa etwas vorsichtig und irritiert, als sie Lyanna musterte. Langsam wurde die Schwarzhaarige etwas spitzfindig, aber auf eine merkwürdige Art und Weise gefiel das der Lich, das würde das Spiel nur interessanter machen.

"Ich frage aus reiner Höflichkeit und Interesse.", kommentierte die Lich weiter und trank den Rest ihres Weines aus.

"Nun ich hatte tatsächlich nichts für heute Abend geplant.", lächelte Lyanna leicht und ließ sich nochmal etwas Wein nachschenken.

"Und ihr? Was habt ihr heute Abend vor?", fragte die Schwarzmagierin neugierig und nippte an ihrem Wein. Wollte Vanessa vielleicht etwas mit ihr machen? Das konnte sie sich zwar nicht so recht vorstellen, aber wenn sie schon so fragte. Doch sie musste Vanessa noch auf die Erinnerungsfetzen von heute Nachmittag ansprechen, das durfte sie auf keinen Fall vergessen.

"Bilden.", entgegnete Vanessa etwas kryptisch, woraufhin sie von Lyanna ein etwas verwirrtes Gesicht erntete, nachdem diese nach der Abendbeschäftigung der Lich gefragt hatte: "Ich werde mich Bilden. So wie jeden Abend. Ein gutes Buch ist mir der liebste Partner. Meistens, zumindest.
Sachbücher, versteht sich. Ich meine... wer liest schon diese sinnlose, herzerwärmende, egozentrische 'Belletristik'?"

Danach lächelte die Blondine kurz gespielt tupfte sich den Mund mit ihrer Serviette nochmals ab, auch wenn das nicht notwendig war und sah anschließend fragend zu Baskerville: "Wenn Ihr mich also entschuldigen würdet?"

"Halt wartet noch bitte einen Moment...", erwiderte Lyanna und nippte an ihrem Glas.

"Es gibt da etwas das ich gerne Ansprechen würde.", merkte die Schwarzmagierin an und blickte ins Glas, während sie es schwenkte.

"Heute nach dem Kampf, hatte ich wieder einen kleinen Anfall... und ich habe ein paar Erinnerungsfetzen gesehen. Eine Frau mit Goldblondem zerzausten Haar, vermutlich durch den Sturm.", erzählte Lyanna und sah dann zu Vanessa.

"Ich konnte ihr Gesicht nicht erkennen, es hatte den Anschein als wollte sie nicht erkannt werden und würde versuchen sich mir zu entziehen.", erläuterte die Schwarzmagierin ihre Gedanken.

"Ebenfalls habe ich erfahren, dass ich mich gegen einen Fels gestützt habe als dieser Jurdan mich fand, jedoch muss ich feststellen, dass es in diesem Dorf nicht sehr viele Frauen mit Goldblonden Haaren gibt. Eine von beiden ist ja tot und glaube nicht, dass es sich dabei um die Frau des Künstlers handelt. Zumal sie nicht sehr magisch begabt wirkte. Und wenn sie nicht möchte, dass ich sie erkenne, muss es sich dabei ja letztlich um einen Zauber handeln, der dafür sorgt, dass ich mich nicht erinnern soll.", sinnierte Lyanna ruhig weiter und blickte Vanessa dabei direkt an.

Die Schwarzmagierin nahm einen Schluck aus dem Glas und schob das leere Weinglas von sich weg und fügte hinzu: "Habt ihr oder habt ihr mich nicht, damals am Strand aufgelesen? Ihr seid die einzige, auf die derzeit meine aktuelle Schlussfolgerung zutrifft und es am Wahrscheinlichsten ist, dass es sich bei dieser Frau in meiner Erinnerung um euch handelt."

"Ihr hattet einen... 'Anfall'?", fragte Vanessa beinahe ein wenig provokativ als sie Lyanna musterte: "Nichts für Ungut aber... gebt Ihr etwas darauf, was Ihr 'seht' wenn Ihr einen Anfall habt?"

Danach wurde der Blick der Lich nochmal etwas ernster, nachdenklicher aber auch irgendwie kümmernder: "Wahrscheinlich habt Ihr an dem Abend doch etwas mehr abbekommen als Ihr dachtet, hm? Ich kann Euch nicht dabei helfen, irgendwelche Hirngespinste zu entziffern, allerdings hätte ich vielleicht etwas gegen diese 'Anfälle'.
Extrakt vom Hirnwurz, um genau zu sein. Es hilft beim Einschlafen und beruhigt den Geist, ist ansonsten aber harmlos. Wenn Ihr etwas davon wollt, müsst Ihr es nur sagen."

Lyanna verengte leicht ihre Augen und lauschte noch höflich dem Rezept das Vanessa ihr verschreiben wollte. Doch eine Antwort auf ihre Frage lieferte Vanessa ihr nicht. "Versucht mich bitten icht für Dumm zu verkaufen, denn das bin ich nicht. Ich habe hier schon mehr mitbekommen als euch vielleicht lieb ist. Eure Reaktion, als ich den Untoten im Hügelgrab erwähnte! Ihr wirktet überrascht, für einen Moment habt ihr eure sonst ganz so würdevolle Haltung fallen gelassen."

"Warum also seid meiner Frage ausgewichen!", stellte Lyanna fest und anhand ihres Gesichtsausdruckes konnte man deutlich sehen, dass die Schwarzhaarige in keinster Weise darüber erfreut war. Im Gegenteil, es verärgerte Lyanna nur umso mehr. Sie wollte Antworten haben und zwar jetzt!

"Da ihr mir nicht geantwortet habt, muss ich wohl mit einer Annahme richtig liegen, dass ihr mich damals am Strand gefunden aber zurückgelassen habt. Die Frage, die ich mir Stelle ist, warum ihr das getan habt. Ihr fragtet mich auch was ich in Durmand getroffen habe, eine sehr spezielle Frage, wenn ich das einmal so anmerken darf. Vor allem als ihr das Wort Wesen in eurer Frage erwähntet, bin ich selbst ein wenig aufmerksam geworden. Ihr habt mich zurückgelassen, richtig?", hakte Lyanna nach. Viel konnte ja wohl nicht mehr fehlen, damit ihre Schlussfolgerung Sinn ergab. War es vielleicht nur noch ein Puzzleteil? Wo würde sie dieses letzte Teil nur finden?

Vanessa seufzte etwas erschöpft als Lyanna begann, sie des Ausweichens zu bezichtigen: "Ja, ich bin Euch ausgewichen, das habt Ihr ganz vortrefflich bemerkt. Aber nicht aus dem Grund den Ihr mir unterstellt. Seht... Ihr seid ein wenig... 'Instabil'. Das werdet Ihr ja sicher nicht leugnen können. Eurer Verhalten, die Gewalt, Eure Vergangenheit, diese merkwürdigen Anfälle. Ich möchte Euch einfach nicht mehr Gründe geben noch mehr Probleme zu bekommen. Wenn ich Euch etwas nicht sage, dann nur um Euch zu schützen. Aber um Eurer Gewissen zu beruhigen: Ich war nicht diejenige, welche Euch an diesem Abend fand. Ich würde jemanden wie Euch, niemals Schutzlos, sterbend an einem Strand zurücklassen - außer derjenige hätte es verdient. Und da ich Euch hier aufnahm, spricht wohl dafür das Ihr nicht zu diesen Personen gehört, oder?
Ihr sucht verzweifelt nach Antworten, zu Fragen bei denen ich Euch nicht helfen kann. Oh, wo wir übrigens gerade bei Fragen sind: habt Ihr schon einen Tipp bezüglich meines kleinen Rätsels?"

"Ich bin nicht Instabil! Ich bin kein rohes Ei, dass man mit Handschuhen anfassen muss.", sprach Lyanna und stand auf, ihr Atem ging ein wenig schwer und sie hatte große Mühe ihren Ärger über diese Aussage zurückzuhalten. Dennoch hatte Vanessa irgendwie recht, sie hatte sie aufgenommen und auch nicht getötet, obwohl sie sicherlich schon ein paar Mal die Möglichkeiten gehabt hätte.

Etwas zitternd setzte sich Lyanna wieder, nachdem sie mehrfach tief ein und ausgeatmet hatte, hatte sie wieder ein wenig mehr die Fassung zurückgewonnen.

"Was euer Rätsel angeht, ich habe nur eine Vermutung aber noch werde ich sie nicht aussprechen. Denn ich habe ja bereits einen Tipp geopfert damit Jurdan euch sprechen darf. Und ich möchte meine Versuche mit Bedacht wählen.", erklärte Lyanna ruhig und reckt ein wenig das Kinn und sah aus den Augenwinkeln zu Vanessa.

"Schon in Ordnung. Ich bin mir sicher ihr werdet früher oder später darauf kommen.", antwortete Vanessa lieblich, nachdem sie Lyanna's kleinen Wutausbruch erneut mit einem belustigten Lächeln still schweigend vernommen hatte. Anschließend erhob sich die Lich und nickte ihrem Gast freundlich zu mit den Worten: "Ihr solltet auch ein Buch lesen, das beruhigt den Geist ungemein. Guten Abend."

Daraufhin verließ die Blondine den Speisesaal und machte sich auf, ihre geliebten Bücher in der Bibliothek aufzusuchen, wo sie auch wohl den Rest des Abends verbringen würde.

Und so verlief der Abend erneut still und einsam für Lyanna, als sich auch die Schwarzhaarige nach dem Essen auf ihr Zimmer zurückzog. Ein wenig Zeit über das nachzudenken, was gesagt wurde und was geschehen war, sollte vermutlich nicht das schlimmste sein. Die Ungewissheit über die Geschehnisse jener Nacht, so wie dieses vermutlich ziemlich kindische Rätsel von van der Cliff sollten Baskerville wohl auch an diesem Abend beschäftigen. Die Stunden gingen also ins Land, während die Sonne bereits lange hinter Horizont verschwunden war. Die Nächte wurden langsam kälter und der Herbst begann sein buntes Kleid zunehmend auf Skellige zu legen, während ein eisiger Ostwind teile des prächtigen Gemäuers zum Heulen brachte. Egal wie schön, prunkvoll und teuer das Anwesen auch war, verlor es doch besonders an Nächten wie diesen, keineswegs seinen Unheimlichen, verlassenen Charakter.
Zu gegebener Stunde, als Lyanna bereits längere Zeit am Runentisch verbracht hatte, übermannte die junge Frau aber der Heißhunger auf etwas Süßes. Und so machte sich Baskerville spät nächtlich auf noch nach einer Nachspeise zu suchen, welche am abendlichen Essen gefehlt hatte. Die Dunkelheit des Hauses mit einer kleinen, durch Magie selbst entzündeten Kerze in ihrer Hand durchschreitend, schlich die Schwarzhaarige dann durch die gähnenden Gänge. Bis auf das gruselige Weinen des Windes, der sich scheinbar durch sämtliche ritzen des Hauses schob, war es beängstigend Still geworden. Auch das Licht suchte man des Nächtens an diesem Ort vergeblich wodurch viele der Gemälde, wie Horrorgestalten anmuteten.
Doch als Lyanna den Gang des Gästeflügels hinter sich gelassen hatte und kurz vor der zentralen Treppe angekommen war, bemerkte sie das doch nicht alles Dunkel und verlassen war. Ein feiner, aber geradezu leuchtender Lichtstrahl ging aus, von der nur angelehnten Tür der Bibliothek. Sowie das Raunen einiger Stimmen aus jener Richtung. Vorsichtig und leise schritt Baskerville heran um womöglich das im Raum stattfindende Gespräch zu belauschen...

Eine der Stimmen welche Lyanna von drinnen hören konnte, war zweifelsohne die von van der Cliff. Die andere, ebenfalls weibliche Stimme war ihr fremd, jedoch würde sie die schrille, fast schon störende Stimme dieser Frau wohl niemals wieder vergessen, als diese gerade das Wort erhob.

"DU MELDEST DICH JA NIE!!!", rief Josmine, beinahe theatralisch: "Da haben wir SOOOOOO-viel Zeit miteinander verbracht und du schreibst NICHT MAL einen Briehiiief!"

"Stell Dir vor Josmine: es gibt Leute die wollen nicht wie ein knall bunter Hund, auf dem Marktplatz tanzen, so wie Du.", entgegnete Vanessa mit der für sie gewohnten Gleichgültigkeit.

"Ja, schon klar - Schätzchen! Jetzt gibst Du wieder bloß die Eisprinzessin! Aber das hab' ich Dir damals schon nicht abgekauft! Da musst Du dir schon was Besseres einfallen lassen, um Tante Jossy hinters Licht zu führen!", erklärte die Sylvarie und setzte sofort erneut an, obwohl die Lich den Anschein machte etwas sagen zu wollen: "Aber eigentlich passt das ja zu Dir! Ein Eisklotz auf einem EISKLOTZ! Sag mal was hast Du dir überhaupt ausgerechnet HIIIER Dein Häuschen zu bauen?!?!
Ich kann den doofen Namen nicht mal aussprechen: Schgellike! ZKÄLIGEEE! Sci-li-GÄ! BAH!"

"Skellige.", half die Blondine darauf, bereits mit genervten Unterton der Hexe woraufhin die sofort weiter erzählte: "JA SAG' ICH DOCH! Auf jeden Fall ist es furchtbar hier! Keine Städte, keine Menschen - also keine richtigen meine ich - keine Läden, keine Märkte, keine Schlösser, keine Maniküre, keine Magier - anwesende ausgenommen - keine HEXEN, UND ganz wichtig: keine Katy!"

"Niemand zwingt Dich hier zu sein.", sprach daraufhin die Lich woraufhin es sich die Hexe nicht nehmen ließ, erneut lautstark das Wort an sich zu reisen: "JA, ich mach das ja auch freiwillig! Für meine BESTE FREUNDIN VANESSA VESSALIUS!!! Die liebsten meiner kleinen, blonden, abweisenden, völlig unberechenbaren und zugleich wunderbaren HEXEN!
Ich gebe zu das der Pool an kleinen, blonden, abweisenden, völlig unberechenbaren ABER zugleich wunderbaren Hexen nicht besonders groß ist und eigentlich NUR aus dir besteht AAAAAABER, das macht ja nichts - oder?!"

Vanessa ließ das gesagte daraufhin unkommentiert, für den aufmerksamen Leser sei jedoch notiert, das die Blondine sich nun begann mit einer Hand die Stirn und die Schläfen zu reiben, vermutlich um die Chance zu erhalten, das Gesagte wieder zu vergessen. Josmine unterdessen sprach einfach ohne Punkt und Komma weiter: "Mensch, VANNY! Jetzt sei doch nicht so! Du freust Dich doch auch mich zu sehen! Früher warst Du doch auch nicht so! ..öhh.. obwohl eigentlich schon - ABER EGAL! Das hat bestimmt was mit dem Sterben zu tun! Damit hast Du ja hervorragende Erfahrungen! Einmal hat Dir wohl nicht gereicht, HMMMM?!?!?
Wie ist das Eigentlich so wenn man verreckt? Sieht man dann ein Licht..? Hört man Blasmusik? Ich hasse BLASMUSIK! Ich hoffe wirklich es ist keine Blasmusik. Vielleicht ja Trommeln.... die sind toll."

"Was willst du, Josmine?", intervenierte Vanessa schließlich, sichtlich angefressen über den nächtlichen Besuch der Sylvarie woraufhin nun auch die Hexe plötzlich ganz ernst wurde und erwiderte:

"ER will Dich sehen."

"Wieso kommt 'ER' dann nicht selbst?"

"Weil ER beschäftigt ist."

"Ich wundere mich darüber das Du überhaupt noch mit ihm arbeitest."

"Nach Götterfels meinst du...? Das war nur ein Test - und den haben alle bestanden. Ganz besonders Du, meine liebe Vanessa. Ich soll Dir übrigens nochmals seinen Dank ausrichten für seine... improvisierte Rettung. Auch wenn diese natürlich gar nicht notwendig war."

"Natürlich war sie das nicht.", stichelte die Lich mit hörbaren Sarkasmus.

"Es muss dieser übertriefende Sarkasmus sein, den er an Dir so mag...", erwiderte daraufhin Josmine bevor sie sich aus ihrem Sessel erhob und ergänzte: "Er will Dich auf jeden Fall sehen - so bald wie möglich."

"Ich denk' drüber nach.", erklärte schlussendlich die Lich während sie ohne den Kopf zu bewegen der Hexe beim Aufstehen zusah. Mit schnellen Schritten ging die Sylvarie daraufhin aufs geöffnete Fenster zu bevor sie der Hausherrin noch zurief: "TSCHÜSSI! Und bis zum nächsten mal!"
Sofort danach zauberte die Magierin einen Besen herbei, schwang sich darauf und flog wild kreischend und mit einem wahnsinnigen lachen gen Nachthimmel, wo sie schließlich verschwand.

Lyanna richtete sich wieder auf als sie fertig gelauscht hatte, sie hatte ihr Ohr ans Schlüsselloch gehalten um das Gespräch besser verstehen zu können. Vanessa Vessalius also, war sie die ehemalige Kaiserin von Tyria, jene die im Dschungel ums Leben gekommen sein sollte. Doch das alles war schon so lange her und die Schwarzhaarige stellte fest, dass Vanessa sich für diese Zeit gut gehalten hatte, fast schon ein wenig zu gut wie sie fand. War Vanessa vielleicht des Rätsels Lösung? Sicherlich würde sich bald die Möglichkeit bieten diesen Weg weiter zu beleuchten, doch jetzt musste sie erstmal alles für den anderen Runenstein vorbereiten.

Schließlich brach der nächste Morgen an und das sanfte Sonnenlicht der aufgehenden Sonne schien sanft ins Gästezimmer. Auf dem Arbeitstisch lag das Werkzeug verstreut und zwischen den Utensilien lag ein sanft schimmernder Runenstein, der jedoch ganz anders schimmerte, als jener den die Schwarzmagierin zuerst angefertigt hatte. Seine Farbe beinhaltete ein sanftes Violett, das nur schwach leuchtete. Über dem Tisch lag Lyanna gebeugt und ruhte ihren Kopf auf den Armen aus, letztlich fingen an die Sonnenstrahlen sie ein wenig im Gesicht zu kitzeln.

Brummend hob die Schwarzmagierin den Kopf an und fasste sich mit einer Hand ächzend an die Stirn, jetzt hatte sie schließlich doch die ganze Nacht damit verbracht den Stein herzustellen. Übermüdet und schlechtgelaunt blickte sie aus den Augenwinkeln auf den Runenstein, dabei murmelte sie leise fluchend vor sich hin. Mit der anderen Hand rieb sie sich den Nacken, welcher so stark schmerzte, dass sie ihren Kopf fast nicht drehen konnte.

Die Welt, Menschen und alles andere beschimpfend, schlürfte Lyanna langsam ins Badezimmer. Mit beiden Händen stützte sich Lyanna am Rand des Waschbeckens ab und sah erstmal in den Spiegel, sie sah aus als hätte eine Eule sie mit einem Bissen verschluckt und wieder ausgewürgt. Seufzend ließ sie sich erstmal etwas kaltes Wasser ins Waschbecken ein und als dieses soweit voll war, tauchte sie das Gesicht darin ein um die Müdigkeit zu vertreiben. Daraufhin nahm sie sich ein Handtuch, um sich das Gesicht zu trocknen. Sie ließ ihren Blick durchs Badezimmer wandern und beschloss sich erstmal ein heißes Bad einzulassen, während sie also das Wasser einließ, richtete Lyanna sich schonmal die Kleidung für den Tag her.

Nachdem sie alles hergerichtet hatte, was sie sich heute anziehen wollte, stieg sie vorsichtig in die Wanne. Das Wasser war etwas wärmer als beabsichtigt, weshalb sie etwas brauchte bis sie sich vernünftig hineinlegen konnte. Als sie schließlich im warmen Wasser lag, tauchte sie bis zur Nase hinab und genoss die helfende Wärme am Hals, dabei massierte sie sich immer wieder den Nacken bis letztlich die Verspannung weg war.

Nach dem ausgiebigen Morgenbad machte sich Lyanna schon etwas besser gelaunt auf den Weg nach unten. Unten im Speisezimmer angekommen, setzte sie sich erstmal an den Tisch und sagte James was sie gerne frühstücken würde.

Der nächste Morgen verlief ebenso gleichförmig wie die davor, nur mit einem einzigen kleinen Unterschied: Als Lyanna sich im Speisesaal einfand, war Vanessa bereits verschwunden. Gerade als die Schwarzhaarige hereinkam, räumte James das Besteck der Hausherrin weg, während von der Lich sonst nicht die geringste Spur war. Nachdem sich Baskerville gesetzt hatte stand der Butler dann schon bereit neben ihr mit den Worten: "Dasselbe wie Gesten, Miss Baskerville?", woraufhin diese zustimmend nickte und der Diener bereits gehen wollte, bevor er sich doch noch einmal umdrehte und erneut das Wort erhob: "Oh, bevor ich es vergesse. Miss van der Cliff möchte Sie sprechen, oben in ihrem Arbeitszimmer."

Danach lächelte der krytanische Butler noch einmal und machte sich auf, das Frühstück zu besorgen.

Warum wollte Vanessa sie wohl sprechen? Hatte sie zufällig mitbekommen, dass Lyanna die beiden zufällig belauscht hatte? Überraschen würde es sie zumindest nicht, musste die Schwarzmagierin sich eingestehen.

Schließlich brachte James ihr das Frühstück und nachdem sie damit fertig war, ging es Lyanna alles in allem schon viel besser. So machte sie sich auf den Weg zum Arbeitszimmer, um mit Vanessa zu sprechen. Vor der Türe stehen bleibend, klopfte die Schwarzmagierin schließlich an die Tür und wartete darauf, dass sie hereingebeten wurde.

Als Lyanna's Finger das Holz der Türe berührten, öffnete die sich nicht richtig geschlossene Tür leise knarzend bis sie schließlich fast vollkommen geöffnet das leere Zimmer präsentierten. Das Arbeitszimmer der Lich war verlassen und von van der Cliff keine Spur. Etwas irritiert blickte Baskerville deshalb nochmals durch den Hausflur, doch auch dort schien die Blondine nicht zu sein.
War das etwa Lyanna's Chance, das verbotenen Arbeitszimmer zu untersuchen - oder würde die Schwarzhaarige artig die Füße still halten?

Lyanna blickte für einen Moment ins Arbeitszimmer, jedoch trat sie nicht hinein. Denn am helllichten Tage so etwas zu tun, zeugte aus der Sicht von Lyanna von grenzenloser Dummheit. Von daher wartete sie lieber bis Vanessa kam und sie hinein bot, auch wenn es hieß ewig zu warten.

Mit einer Handbewegung und etwas Magie, ließ Lyanna die Türe wieder zu schwingen und verschränkte die Arme hinter ihrem Rücken, dabei wartete sie bis Vanessa auftauchen würde.